Vorgebener Satz:

Etwas hat sich verändert in der Luft…

Kurt schlägt den Mantelkragen hoch, wickelt den Schal enger um den Hals. Seine kalten Finger vergräbt er in den Manteltaschen. Er sucht Wärme in der Handinnenfläche, findet sie nicht.

Kurt schnuppert und findet, dass es nach Schnee riecht. Riecht Schnee denn überhaupt? Nein, sagt sich Kurt, das glaub ich nicht. Aber er hat dieses Gefühl in der Nase. Ist es das Licht? Oder die Kälte? Oder der Windstoss der um die Häuserecken streicht? Es ist Winterzeit. Und die Düfte sind anders. Keine Gräser, keine Lindendüfte. Nichts Leichtes, Blumiges, Süsses, hängt in der Atmosphäre sondern  Kälte, Schwere, Langsamkeit und alles in Grau. Das meint er zu riechen.

Ihm steigt ein neuer Duft in die Nase. Mhhm, Marroni. Herrlich. Kurt gönnt sich die Pause und bleibt beim Marronimann stehen. Und dieser, dick vermummt, mit geröteter Nase, steht in einer Dampfwolke. Ein kleiner Tropfen hängt an dessen Nasenspitze. Hoffentlich fällt der Tropfen nicht in eine der Marronitüten, denkt Kurt. Wieder öffnet der Marronimann den Pfannendeckel. Dampf und Duft umhüllen nun beide. Kurt mag diese Jahreszeit. Gut, der Sommer gefällt ihm besser, mit dessen Düften, den Biergärten, den Grillfesten. Aber jetzt ist doch einfach eine besondere Stimmung. Herbst, Advent, Weihnacht. Vom Nebel verhüllte Bäume, klirrende Kälte, weiss gepuderte Landschaften, Dächer, Strassen. Häuser und Vorgärten werden geschmückt. An den Haustüren hängen farbige Kränze und Tannenreisige und Lichtergirlanden schaffen eine besondere Stimmung.

Kurt eilt weiter. Nicht umsonst ist er in dieser Nacht unterwegs. Er ist eingeladen worden. Eingeladen zu einem Festschmaus. Kurt ist neu in der Stadt, er  kennt sich hier noch nicht so gut aus. Wohin muss ich gehen, wo ist nur die Einladung?, fragt sich Kurt nochmals. Unter der nächsten Strassenlaterne durchwühlt er seine Jackentaschen. Ah, da ist das Papier. Treffpunkt 20.00 Uhr im Alten Bären. Er hat noch eine Weile bis zu diesem Lokal zu gehen. Kurt stapft weiter. Erste Schneeflocken fallen auf ihn herab. Schmelzen auf seinen Kleidern, seinem Haar. Endlich ist er da, beim Bären. Dick und behäbig steht das Gebäude am Ende des Platzes und strahlt aus allen Fenstern. Und ein schwerer Duft hängt über dem Platz. Kurt freut sich. Ein dickes Schwein ist auf einem Plakat aufgemalt. Und darunter steht „Metzgete“. Sofort reagieren seine Sinne, das Wasser läuft ihm im Munde zusammen. Das passt in diese Jahreszeit. Dieser Geruch von Würsten und von Rösti. Zwar wird dieser Duft noch tagelang in seinen Kleidern hängenbleiben, aber das ist Kurt egal. Er öffnet die schwere Türe und tritt ein. Mit einem lauten Hallo wird er von den bereits Anwesenden empfangen. „Hallo, wie geht’s, gut eingelebt?“ Kurt antwortet reiherum. Dann blickt er auf die Speisekarte: Schlachtplättli, Blut- und Leberwurst, die Liste ist lang. Und Kurt bestellt …