Stockdunkel war die Nacht. Der alte Wächter Sigurd stand auf der zinnenbewehrten Turmspitze. Er starrte in die Finsternis hinaus. Schutzlos war er dem Unwetter ausgesetzt. Tiefes Donnergrollen, unaufhörlich. Verästelte Blitze fuhren in die Erde. Begleitet von Wassermassen. Der Wind peitschte um seinen Turm. Sigurd fühlte, dass sich das Unwetter immer mehr der Burg näherte. Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft. Ihn fröstelte. So stellte er sich den jüngsten Tag vor. Blitz und Donner und Schwefelgestank. Mit einem Male bekam er Angst. Grosse Angst. Ob ihn der Teufel diese Nacht holen würde? Ob sie nun alle bezahlen mussten für ihre Schandtaten? Er und die Andern, die zum Gefolge von Netteli, dem Raubritter, gehörten. Bilder zogen vor seinen Augen vorbei. Schreckliche Bilder. Hoch zu Ross waren sie durch Saatfelder galoppiert, Ernten hatten sie niedergebrannt, Häuser. Wer zu Martini nicht bezahlte, wurde in den Turm geworfen und erblickte nie mehr das Tageslicht. Frauen und Kinder, die für den Ehemann und den Vater um Gnade baten, wurden mit Stöcken vom Weg geprügelt. All diese schrecklichen Taten, berührten seinen Herrn, den Ritter Netteli nicht. Mit seinem Rappen, seiner furchterregenden Gestalt, bewegte er sich durch das Leben. Er fluchte, lästerte, prasste, grollte und soff. Kannte kein Erbarmen. Und er, Sigurd, war immer dabei gewesen. Zwar im Hintergrund, aber dennoch dabei gewesen.

Die Elemente hatten die Intensität gesteigert. Wie eine riesige Walze näherten sie sich der Burg, hüllten sie ein. Und unablässiges Donnerbrüllen, Blitzgezucke, Wassermassen. Sigurd wollte fliehen, sich verbergen. Maria hilf, dachte er noch und dann tat sich die Hölle auf. Ein Blitz fuhr hinab. Spaltete die Erde. Und alles fing an zu rutschen, zu zerbrechen, dem Schlunde zu. Blitze beleuchteten das Geschehen. Gierig wurde Gebäude, Tiere, Menschen hinab gezogen. Es gab kein Entrinnen. Und dann.. mit einem gewaltigen Donnerkrachen schloss sich die Erde wieder. Donner und Blitz zogen sich zurück. Es wurde still. Nur der Regen prasselte unaufhörlich weiter. Und löschte alle Spuren menschlichen Lebens aus.

Einsame Mauerreste blieben zurück, trotzten auch in späteren Generationen Wind und Wetter. Und liessen die Geschichte fest in den Köpfen der Menschen.. die Geschichte vom grausamen Ritter Netteli und seinem Ende. So erzählte mir die Geschichte mein Vater und so erzählte ich sie meinen Kindern..