Betrachtungen. Eine Lautsprecherstimme gibt bekannt, dass der Zug in Bälde eintrifft. Das Perron ist schon gut gefüllt. Mit Menschen aller Art. Gross und klein. Die einen schon winterlich eingepackt, die Anderen im Sommer stecken geblieben und im Kurzarmlook wartend. Wieder andere wissen nicht, in welcher Jahreszeit sie sich befinden wollen und tragen alle möglichen Kleidungsstücke. Und ich mittendrin.

Betrachtungen. Ich stehe so gerne auf Bahnhöfen und betrachte Menschen. Diese Vielfalt. In allen Hautfarben, mit verschiedensten Gesichtern. Offen die Einen, verkniffen die Andern, verträumt, sprechend, schweigend. Und alle warten, treten von einem Bein auf das andere, scharren mit den Füssen, bewegen sich oder stehen ruhig da.

Augenblicke, hin und her. Der Blick auf die Uhr, im Rucksack etwas suchen, Zeitungsblätter umschlagen oder versunken den Tönen des Ipods lauschen.

Mit einem lauten Rattern fährt der Zug ein. Türe öffnen sich, werden zum Flaschenhals, denn alles strömt dahin. Schieben, Blicke zuwerfen, Position suchen, drängen.

Mit einem satten schlürfen schliessen sich die Türen. Alle haben ihren Platz gefunden. Der Zug rollt.

Fortsetzung

Der Zug rollt. Rollt weiter meinem Ziele entgegen. Ein Gratisblatt liegt in meinen Händen. Es informiert mich in grossen und kleinen Buchstaben was sich heute ereignet und mich zu interessieren hat. Ja, ja, bla, bla. Blatt um Blatt schieben meine Hände von rechts nach links. Was doch nicht alles so passiert in der weiten Welt.

Mein Blick versucht die vorbeihuschende Landschaft festzuhalten. Vergeblich. Es wischt vorbei und langsam sinke ich in einen leichten Schlaf. Ich sehe nichts, ich höre nichts, gleite einfach so dahin. Wie lange? Keine Ahnung.

„Reist dieser Herr mit Ihnen“? Eine Stimme holt mich aus der Dunkelheit zurück. „Nein, ich kenne ihn nicht“, meint eine weibliche Stimme. Bin ich gemeint? Eine Einkaufstasche steht auf meinem Fuss. ich erwache. Erwache auch, weil eine Hand mich an der Schulter berührt hat. „Entschuldigung, ich habe gesehen, dass Sie schlafen“. Mein Blick fängt das Gesicht eines jungen Mannes ein. Ja, er spricht zu mir.

„Ich habe gesehen, dass Sie schlafen, wir sind in Zürich, im Hauptbahnhof. Müssen Sie aussteigen?“ „Nein“, sage ich, „ich reise weiter“.  Aber vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und denke, dass ich so etwas noch nie so erlebt habe. Ausser bei einer Billetkontrolle.

Die Frau vis-à-vis nimmt nun die Einkaufstasche von meinem Fuss. „Entschuldigung“, murmelt sie. Die Kolonne der Aussteigenden bewegt sich dem Ausgang zu. Unter ihnen mein aufmerksamer Mitreisender. Ich lächle ihm zu. Schliesse meine Augen wieder. Erst bei der überübernächsten Station heisst es für mich aussteigen. Und schon döse ich wieder vor mich hin. Der Zug wollt wieder.