Vorgabe:

Hoch über der Stadt stand auf einer mächtigen Säule die Statue des „Glücklichen Prinzen“. Sie war über und über mit dünnen Goldplättchen bedeckt. Statt der Augen hatte sie 2 glänzende Saphire, und ein grosser roter Rubin leuchtete auf seiner Schwertscheide.

Mein Vollenden:

Jeden Morgen, beim ersten Tageslicht, rieb sich der Prinz die Augen. Er grüsste die Sonne, den Regen, den Wind, blinzelte Schneeflocken zu.

Gerade heute versprach ein schöner Tag zu werden. „Guten Morgen liebe Sonne“ „Guten Morgen lieber Prinz“. Und der Prinz sprach weiter: „Ach liebe Sonne, ich bin dem Himmel so nah, sehe die Ferne und bin für ewig hier festgemauert. Ich möchte weg von hier. Kannst du mir helfen? Meine Glieder sind ganz steif, das Kreuz zwickt und mir ist langweilig“. „Lieber Prinz“, sprach die Sonne, „ich kann dich wärmen, aber helfen kann ich dir nicht. Aber frag doch mal die Wolken die gerade heranziehen“.

Und das tat der Prinz: „Wolken, liebe Wolken, könnt ihr mir helfen? Ich möchte so frei sein wie ihr“ Aber: „Hu Hu“, riefen die Wolken, „keine Zeit, wir können nicht bleiben, der Wind treibt uns fort. Frag doch ihn, er ist überall zu Hause“.

Sssss, da strich der Wind schon um den Prinzen. Verweilte. „Hallo mein Lieber, was hör ich da? Du willst weg? Ich kann’s ja mal probieren“. Und er fing zu blasen an, immer mehr. „Halt, halt“, schrie der Prinz, „das ist zu fest, ich stürze ja um, du tust mir weh“! „Oh verzeih“, säuselte der Wind, „lass mich mal überlegen. Hmm, ich habe eine Idee.  Noch heute rausche ich ins Silbertal und treffen meinen Freund, den Zauberer „Rolfric“. Den frag ich um Rat. Schon heute Abend bin ich zurück“. Sssss und weg war er.

Es schien dem Prinzen als wolle der Tag nicht enden. Dunkelheit lag schon über der Stadt, als keuchend der Wind zurückkam. „Puh, beinahe wäre ich in den Bergen steckengeblieben. Aber ich habe den Zauberer getroffen. Und schau, er hat mir eine Zauberkugel mitgegeben. Blick hinein und lies die Botschaft. Du sollst aber vorsichtig sein, sagte der Zauberer: jeder Blick in die Kugel kostet dich einen Saphir“. Ssss, weg war der Wind. Geschwind blickte der Prinz in die Kugel. „Schwupps“, schon war ein Saphir weg. Und der Prinz las: Einen Wunsch kannst du … Ssss der Wind kam zurück und blies dem Prinzen ein Sandkorn ins Auge. „Verflixt“ flüsterte der Prinz, „ich seh nichts mehr“ und rieb das Sandkorn weg. „Verzeih“ sprach der Wind, „das wollte ich nicht“.

Wieder blickte der Prinz in die Kugel und las: Einen Wunsch kannst du tun, aber wähle gut, er wirkt nur eine Nacht lang und dann musst du auf die Säule zurück. „Schwupps“, auch der zweite Saphir war weg. „Ha“, sprach der Prinz, „ich möchte die Menschen in der Stadt besuchen“. Und es geschah. Welch ein herrliches Gefühl sich frei bewegen zu können. Und er konnte sehen, auch ohne seine Saphire. Zwar undeutlich, aber er alles erkennen.  Und so tanzte der Prinz in die Nacht hinaus, dem Städtchen zu.

Vor jedem erleuchteten Fenster blieb er stehen. Viel Schönes gab es zu sehen aber noch mehr Trauriges. In einer Hütte sass die ganze Familie am Tisch und hatte nichts zu essen. In jener Stube fieberte ein Kind, Vater und Mutter weinten weil sie kein Geld für die Medizin hatten. Und dort fehlt Geld um Reparaturen zu bezahlen. Überall half der Prinz. Brach 1, 2, 3 oder noch mehr von seinen Goldplättchen ab, legte sie auf den Sims, klopfte ans Fenster und ging weiter. Die ganz Nacht hindurch. Und mit jedem weggegebenen Goldplättchen fühlte er sich leichter. Mit den letzten 2 Goldplättchen ging er zum  Brillenmacher „Mac Opticus“ und kaufte sich eine wunderschöne Brille.

Nun strichen aber die ersten Sonnenstrahlen über die Hügel und wie von einem Magneten gezogen landete der Prinz wieder auf seiner Säule. Doch wie sah er aus! Kein Glanz mehr, kein Funkeln, zerzaust, verschmutzt, ohne Gold und Saphir, dafür mit Brille. Der Prinz fühlte sich aber herrlich und so leicht ums Herz. Und hatte nur noch einen Wunsch: in die Welt hinaus!

Noch vor Mittag spazierte eine Gruppe Menschen zur Statue. Nicht irgendwelche Menschen, nein, es war der Bürgermeister mit seinen Ratskollegen. Ihnen quollen beinahe die Augen über als sie den zerrupften Prinzen sahen. „Vandalismus, Bettelprinz, Schandfleck, grauenhaft wie der aussieht“. Alle schrien durcheinander. „Ja“, meinte wichtig der Bürgermeister, „für den Tourismus ganz schlecht, diese Schandstatue muss weg. Schon morgen räumt das Bauamt diese Ruine in den Müll. Hier kommt ein Ausflugsrestaurant hin“.

„Oh weh“, rief der Prinz dem Winde zu. „Geh zum Zauber „Rolfric“, er muss mir noch einmal helfen. Biete ihm mein rubingeschmücktes Schwert an. Aber beeile dich, morgen ist es zu spät“. Spät in der Nacht war der Wind zurück. „Hör mir zu“, säuselte der Wind, „Rolfric“ ist einverstanden: dein Schwert soll nicht Leben nehmen, es soll dir dein Leben geben. Wenn die Turmuhr 12 mal schlägt, musst du dein Schwert in meine Arme legen und wirst frei sein“. „Ja“, jubelte der Prinz, „einverstanden. Und dann lieber Wind, komme ich mit dir und sehe mir die Welt an“.

Und es ging nicht mehr lange, stockfinster war es nun. Bumm, Bumm, Bumm … zehn mal, elf mal, zwölf mal, schlug die Turmuhr. Weg mit dem Schwert. „Ich bin frei, frei“ jauchzte der Prinz. „Leben ich komme“. Noch einmal winkte er in die Stadt hinunter, lächelte. Dann stieg er auf die Mitternachtswolke und liess sich vom Wind davontragen…