Ein Novembermorgen (Beschreibung eines Stimmungsbildes)

 Im Gegensatz zu vielen Leuten finde ich den Nebel interessant, vielschichtig. Verbergend und doch öffnend. Ja, sogar kleidend. Tröpfchen für Tröpfchen legt er sich auf Kleider, Gesicht, Haare, Augsbrauen, jede Rille. Einfach auf Alles. Und so zart.

Aufgewachsen bin ich in einem Dorf, an einem Fluss, der Reuss. Flüsse ziehen Nebel an, heisst es. Und jeder meint, dass dieser und jener Ort mit Nebel besonders gesegnet sei und es nur darum gehe, dem Nebel zu entrinnen. Doch was wäre Hesse ohne seine Gedichtszeilen „Seltsam im Nebel zu wandern, einsam ist ..„. Oder die Krimis von Edgar Wallace, der im Nebel von London soviele Verbrechen geschehen lässt oder .. Aber ich schweife ja ab. Aufgewachsen in einem Flussdorf, mit Rebhügeln und Nebeltagen im Herbst.

In der Herbstzeit, da kriecht er jeweils um die Häuser, der graue, nasse Geselle. Und legt sein Gewand aus. Und dann, nicht in der Stube hocken bleiben, hinaus, ihn begrüssen und sich von ihm verschlucken lassen. Alles sieht gespenstisch aus, eingepackt wie von „Christo“. Alle Geräusche verschluckend. Wabernde Wolken, die das Leben erkennen, verschwinden und wieder auftauchen lassen. Dann unterwegs sein, die Gedanken ohne Stimulanzen umnebeln lassen, sich tragen lassen. So bin ich unterwegs, finde den Tritt, strebe der Höhe, dem Rebberg entgegen. Begleitet von Grau. Ja, du bist bei mir Nebel und ich sage es dir, ich suche die Sonne. Und werde sie finden. Du begleitest mich, lässt immer wieder Fenster offen, Neues erkennen. Die fahle Sonne, Bäume tauchen auf, Rebstöcke. Alles verziert vom Nass. Immer höher steige ich. Und dann, irgendwann, ich weiss es, gibst du auf. Sonnenstrahlen saugen dich auf, stossen dich weg. Du drehst dich auf die Seite wie im Bett, magst nicht mehr steigen. Und ich schwinge mich über dich. Schritt für Schritt. Du ruhst zu meinen Füssen. Ich erblicke das Nebelmeer. Das Auf und Ab deiner Decke. Schwabernd, wabernd wälzt du dich über dem Dorf. Und die Sonnenstrahlen klopfen dir auf den Rücken, schmelzen dich, wollen dich aufsaugen. Gräser richten sich auf, Rebblätter tropfen. Und diese Bilder bleiben in mir haften. Ich erkenne umkleidete Bäume, die Kirchtürme, Häuser, setze mich auf die Bank. Tanke Sonnenstrahlen, Wärme. Wer setzt sich durch? Die Sonne, der Nebel? Ich warte, staune, sehe zu. Und dann nach einer Weile, steige ich wieder ins dorf hinunter. Die Füsse tauchen wieder ein in deinen feuchten Atem. Die Vogelstimmen sind verstummt und das Nass deckt wieder alles zu. Und ich bin ein Teil davon. Schritt um Schritt wandere ich zurück und suche die warme Stube. Trinke einen Tee, stehe am Fenster und sehe, dass du heute den ganzen Tag bleiben wirst.